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Nürnberg. „Malerei ist für mein Experimentierfeld Seinsfragen. In einem Balanceakt zwischen Kontrolle und Kontrollverlust, empfindsamen Bergen und Zerstörung dirigiere ich meine Stilmittel. Das sind meine markanten Pinselstriche und meine tänzerischen Fließspuren, die im malerischen Prozess mehrfach überarbeitet werden. Dabei könnte man die Pinselstriche als Stellvertreter für Menschen mit all ihren unterschiedlichsten Erfahrungen und Möglichkeiten sehen. Die Fließlinien schaffen neue Formen von Begegnungen, machen feinste Regungen und auch Unabdingbarkeit sichtbar.“ (Ursula Jüngst)
In dem hier im Chorraum gezeigten Triptychon Mariupol stellt sich die Künstlerin Ursula Jüngst den Schrecken des Krieges; bangen Herzens zwar, aber in der im eigentlichen Sinne apokalyptischen Gewissheit, dass die dort verübten Grausamkeiten das, was wir Menschlichkeit nennen, nur verdrängen, niemals aber endgültig auslöschen können. In Mariupol I (Bild in der Mitte) dominiert scheinbar ein aggressives, an Blut und Wunden erinnerndes Rot, das sich bis zum tiefsten Violett als Zeichen größten Schmerzes steigert. Aus unzähligen Wunden fließen Ströme von Blut.
Indem wir einerseits mit Blut Verletzungen assoziieren, verbinden wir zugleich mit diesem nach Goethes Mephistopheles „besonderen Saft“ auch dessen lebensspendenden Eigenschaften. Genau diese ambivalente Rolle eignet der Farbe Rot: Sie ist die Farbe der absoluten Macht oder des aufopferungsvollen Widerstands. So wie Rot für die Liebe steht, macht es mit den Worten des Malers Rupprecht Geiger „high“. Und genauso eng wie Rot gleichzeitig mit gut oder schlecht assoziierbar ist, lässt es sich mit Willensstärke oder Machtmissbrauch assoziieren.
Ursula Jüngst weiß als erfahrene Malerin um die Vielschichtigkeit von Rot und lässt daher in Mariupol I keine der von ihr gesetzten roten Pinselgesten allein. Sie umhegt das harte Rot geradezu mit anderen Farben am Rande dieses Spektrums. Im Ergebnis machen sich überall neben Gesten der Hilflosigkeit auch solche der Hilfsbereitschaft bis hin zu lindem Rosé breit, die Werte wie helfen, bergen, schützen inmitten von Chaos und Schrecken assoziieren.
Ähnlich verhält es sich bei den anderen Bildern dieser Serie: Selbst wenn im Aschegrau – eine Farbe, die zwischen Schwarz und Weiß liegt – von Mariupol II (links) bleierne Agonie zu herrschen scheint und sich nur hier und da glimmende Lichter finden, die für Hoffnung stehen, ist das folgende Gemälde Mariupol III (rechts) ungeachtet seiner vermeintlich sanften, honiggelben Grundstimmung ein einziger Zornschrei: „Verdammt noch mal, wir wollen uns das Leben nicht nehmen lassen!“ Zwar sind dunkle Elemente im Bild deutlich erkennbar, aber das Licht als Metapher für das Leben überwiegt bis hin zu goldleuchtendem Gelb, es verleiht Kraft und Energie. Insgesamt strahlen die Werke Mariupol I-III trotz aller dunklen Dramatik Würde und Zuversicht aus.
(Erich Schneider: Ariadnefäden des Lichts. Malerei von Ursula Jüngst, Freiburg im Breisgau 2023, S. 35)
„In meinen Gemälden versuche ich für die momentan belastenden Zeiten einen adäquaten Ausdruck zu finden und gegen die düsteren Erfahrungen anzumalen, gegen Ohnmacht, Verfall und Aggression die hoffnungsvolle Kraft des Lichts zu setzen.“ (Ursula Jüngst)
Ursula Jüngst, geboren 1965 in Miltenberg, lebt als freischaffende Künstlerin in Nürnberg und Barcelona. In Nürnberg leitete sie viele Jahre das Modellprojekt „Malen mit schwerkranken Kindern“ am Klinikum Nürnberg. Für ihr künstlerisches Werk wurde sie bereits mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet. So erhielt sie 2008 für ihr Gemälde „Sternengeburt“ den Sonderpreis des Verlegerpreis der Nürnberger Nachrichten. Für die Kirche Allerheiligen in Nürnberg schuf sie das 24qm große Glasgemälde „Feier des Lebens“, das 2021 mit dem internationalen CODAaward prämiert wurde.
Weitere Informationen finden Sie unter: www.ursula-juengst.com
von Jürgen Kaufmann